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Sprachtipps der Woche

Für Ärzte: Haben Sie noch ein „Wartezimmer“?

01

Wer will denn, bitte schön, „warten“? Im Wartezimmer scheint die Zeit besonders langsam zu vergehen, ich empfinde dort meist Langeweile und das Gefühl von Zeitverlust. Wenn Sie allerdings „warten“ meinen im Sinne von „sich um etwas kümmern, pflegen, die Funktionsfähigkeit erhalten“, dann schafft das andere Assoziationen. Ist Ihr Wartezimmer darauf ausgelegt? Wohltuende Gedanken und Gefühle beruhigen und unterstützen den Heilungsprozess. Wollen Sie ungeduldige, genervte Patienten empfangen, die bereits vorher kognitiv abgeschaltet haben, die sich ängstlich und unbehaglich fühlen? Oder wollen Sie entspannte, zuversichtliche Patienten, die sich gesehen fühlen?

Dann heißt Ihr Wartezimmer demnächst vielleicht „Blauer Salon“, weil das Zimmer in hellen, maritimen Blautönen gestrichen ist, mit Himmels- oder Meeresbildern an der Wand und schönen Bildbänden zur Auswahl. Oder „Muschelzimmer“, weil Sie das Zimmer mit schönen Muscheln aus dem Urlaub dekoriert haben – mit einer sanften Meeresbrise im Raum. Vielleicht dürfen Ihre Patienten die Sammlung ergänzen? Oder „Gute Stube“, weil es so gemütlich eingerichtet ist, wie bei Oma zuhause. Oder „Aquarium“, weil es dort bunte Fische zu bestaunen gibt. Oder „Lavendelzimmer“, weil es dort herrliche Bilder aus der Provence mit riesigen Lavendelfeldern gibt – plus einer dezenten Beduftung des Raumes mit Lavendel etc.

Welche Gefühle und Bilder lösen diese Begriffe schon jetzt beim Lesen aus? Sie haben es in der Hand, den Aufenthalt im Wartezimmer zu einer positiven Erfahrung zu machen, bei der der Mensch gut mit sich sein und sich warten (pflegen) kann…

Jedes Wort wirkt!

Für Führungskräfte: Wir schaffen das!

02

Dieses Zitat unserer Kanzlerin hat viele Emotionen ausgelöst, positive und negative. Die einen fühlten sich bestärkt und ermutigt, die anderen bedroht und überstimmt. Die emotionale Botschaft kam an, der Handlungsimpuls blieb vage. Schauen wir auf die Wirkung, wenn “wir vom wir” sprechen.
Viele Führungskräfte sagen zu ihren Mitarbeitern: „Das müssen wir angehen!“ oder „Das müssen wir schneller hinkriegen!“ oder „Darüber könnten wir mal nachdenken in unserem Team.
Ihr wisst, was dann passiert. Nichts.
Wer von wir spricht, meint meist die anderen. Aber wen genau? Und was genau soll diese Person, die sich angesprochen fühlt, denn tun? Das bleibt unklar. 
Wenn die Sprache voll von wischi-waschi ist, bleibt auch das Ergebnis wischi-waschi.
Wie klingt es stattdessen, wenn ich das ICH an die Stelle des WIR setze?
„Das werde ich angehen. Wer macht mit?“  – „Was kann ich dazu beitragen, damit der Prozess schneller läuft?“
Oder ich benenne klar die Akteure, um die es geht: 

„Lasst uns gemeinsam darüber 15 min nachdenken. Jeder sammelt 5 min eigene Gedanken, danach trägt sie jeder nacheinander vor.“
„Herr Muster, bitte organisieren Sie die Zahlen vorletzten Quartal. Frau Müller, Sie erstellen bitte die Agenda und moderieren das nächste Meeting.

Wo entsteht mehr Handlungsimpuls? Wo fühlt ihr Aktivität?
Traut euch, Menschen direkt anzusprechen und zu sagen, was ihr wirklich wollt.
Denn: Jedes Wort wirkt!

 

Für Lehrer*innen: Hätte, könnte, würde … – machen!

03

„Würdest du dich jetzt bitte mal hinsetzen?“ Die Stimme der Lehrerin klingt genervt. Dieser Junge hat wirklich Hummeln im Hintern. Er kann oder will einfach nicht stillsitzen und still sein. Wie wird er wohl reagieren? Vermutlich gar nicht.

Woran liegt das?

Nun: Der Satz ist schwammig, vieldeutig, emotional und leichtgewichtig.

Die Satzmelodie formuliert eine Frage. Somit wird auch der Inhalt fraglich. Eine Frage kann der Junge mit Ja oder Nein beantworten. Die Entscheidung darüber liegt ganz bei ihm. Das ist der Charakter einer Frage.

Sie beginnt den Satz mit „Würdest du…“

Der Konjunktiv „würde“ ist eine Möglichkeitsform. Von dieser reinen Möglichkeit, das zu tun, was die Lehrerin will, wird er freiwillig wohl keinen Gebrauch machen. Er hat die Macht, darüber zu entscheiden. Der Handlungsimpuls fehlt.

Dazu kommt die entnervte Stimme, vielleicht noch ein Augenrollen und das verwässernde Füllwort „mal“. Sie transportiert ihren wiederholten Ärger damit, dies aktiviert seine Gefühlsebene und ruft einen natürlichen inneren Widerstand hervor. Wer will sich schon gerne etwas vorwerfen lassen? Ergo: Nichts passiert.

Was kann die Lehrerin tun?

Sie kann ihn präsent, kraftvoll und eindeutig ansprechen. Zum Beispiel so:
„Lukas, (Pause, bis er sie anschaut) bitte setz dich an deinen Platz. (Pause) Ich mag mit dem Unterricht beginnen. – Ich danke dir.“

Was ist der Unterschied?

„Lukas, …“ Sie spricht ihn zunächst wertschätzend (ohne Vorwurf und Anklage in der Stimme) mit seinem Namen an. Damit fühlt er sich als Person gesehen und wahrgenommen. Erst, wenn er sie anschaut, spricht sie weiter:

„…bitte setz dich an deinen Platz.“  Sie spricht eine klare und eindeutige Handlungsaufforderung aus. Keine Frage. Sie fühlt ihre eigene Bestimmtheit und traut ihm zu, dass er dieser Aufforderung nachkommen wird.

„Ich mag mit dem Unterricht beginnen.“ Sie liefert ihm eine Erklärung für ihren Wunsch und lenkt damit seine Aufmerksamkeit auf den Kontext, in dem sie sich befinden.

„Ich danke dir.“ Kommt er dieser Aufforderung nach, registriert sie das und honoriert sein Verhalten mit dem Dank. Damit bekommt er auch Zuwendung, wenn er sich positiv im Sinne der Klassengemeinschaft verhält – und nicht nur bei Störaktionen.

Die Lehrerin wirkt mit ihrer Sprache klar führend, bestimmt, wertschätzend und geerdet.

Probieren Sie es aus. Denn: Jedes Wort wirkt!